Projektwerkstatt Dresden

Ein Erlebnisbericht

Eigentlich hatte ich doch extra einen Zug eher reserviert, damit genug Zeit bleibt, um vor Beginn der Projektwerkstatt noch gemütlich ins Hostel einzuchecken und spazierengehend zum Konglomerat e.V. zu gelangen. Und jetzt wird es doch wieder verdammt eng. Während der Rezeptionist all unsere Daten in den Computer einpflegt, schaue ich schwitzend und etwas nervös auf die Uhr. 12:50 Uhr. 13 Uhr starten wir mit den anderen drei Pilotprojekten und Lisa und Stephan vom BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) in den Austausch. Der Weg vom Hostel bis zum Objekt des Konglomerat, wo wir uns treffen, dauert locker 20 Minuten, selbst mit der Straßenbahn. Das schaffen wir nicht mehr rechtzeitig. Ich hasse es, unpünktlich zu sein.

 

Immerhin im bekannten akademischen Viertel sind wir geblieben und erreichen schnellen Schrittes den Ort des Geschehens in der Dresdner City. Glücklicherweise wirkt es nicht so, als hätte man bereits auf uns gewartet. Kleine Grüppchen in lockeren Gesprächen, Limo, Radler und manchmal auch ein Stückchen Wassermelone in den Händen.

 

Wir treten durch die Tür und ein fröhliches „Haaallooo“ tönt uns entgegen. Wir freuen uns! Nach einer wirklich herzlichen Begrüßung (und einem beherzten Griff in die Bierkiste) starten wir in den Austausch. Jedes der vier vom BMI (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) geförderten Projekte stellt seinen Stand der Dinge vor. Was ist in den vergangenen sechs Monaten in der Projektarbeit passiert? Welche Herausforderungen mussten bewältigt werden? Welche Erlebnisse und Ergebnisse können berichtet werden? Wir sind die ersten. Keine Vergleichsmöglichkeit, wir legen vor. Und wieder bin ich nervös und schwitze. Was werden die anderen drei Pilotprojekte zu unseren Ergebnissen und zu unserer Arbeit sagen?

 

15Minuten Projektstand-Präsentation für jedes geförderte Pilotquartier. Es ist unglaublich spannend zu erfahren, welche Hürden die anderen in ihren Projekten zu überspringen hatten und welche Erfolge sie feierten. Wenig geschlafen hätten sie, so der Bericht aus Hannover und Münster. Dem Eindruck nach sind alle Projekte gut unterwegs und die Programmarbeit scheint nur selten ein Problem zu sein. Allerdings geht mit der Förderung und den Möglichkeiten auch die Verwaltung und Abwicklung des Projektes einher und an dieser Stelle türmen sich die Fragen an Lisa vom BBSR. Na immerhin ergeht es den anderen Projekten an dieser Stelle genauso wie uns: Wir kämpfen uns durch Antrags- und Vergaberecht und hoffen, dass wir hinter die Geheimnisse der sach- und fachgerechten Mittelverwendung steigen. Das ist echt hart…

 

Bevor wir uns auf den Weg zum Kraftwerk Mitte machen, wo der zweite Teil der Veranstaltung stattfindet, lernen wir etwas über „Wirkung“. Susann hat sich im Zuge ihrer gemeinnützigen Arbeit mit diesem für die Nachhaltigkeit und den Sinn vieler Projekte wichtigem Thema auseinandergesetzt und berichtet von einer siebenstufigen Wirkungstreppe und der Veränderung im Bewusstsein und Handeln von Menschen. Richtig gut und vor allem super interessant mit Blick auf die eigene Projektarbeit.

 

Zweite Station Kraftwerk-Mitte. Hier trifft sich nun das große Netzwerk, also alle diejenigen, die sich vor einem Jahr auf den Projektaufruf „Neue Modelle der Quartiersentwicklung“ beworben haben. Auch wenn diese heute nicht gefördert werden, sollen sie im Rahmen des Netzwerktreffens die Chance haben, weiter an ihren Projektideen und den Umsetzungen zu arbeiten. Natürlich werden wir als Pilotquartier auch hier über den Stand in unserem Projekt berichten müssen…aber nicht mehr an diesem ersten Tag…jetzt gibt´s belegte Schnittchen, Wein und Frau Prof. Tatjana Schneider von der TU Braunschweig, die uns unter freiem Himmel ganz ungezwungen etwas über den Begriff „Gemeinwohl“ erzählt. Hach, es kann manchmal so einfach sein…

 

Tag 2: Heute sind wir pünktlich! Mein innerer Monk ist beruhigt! Halb zehn treffen wir uns wieder in großer Runde im Kraftwerk Mitte, um zunächst bei einem kleinen Spielchen herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten wir Stadtmacher teilen. Solche Spielchen sind in der Regel immer etwas peinlich, aber dieses finde ich okay. Die Stimmung ist nun wenigstens gleich am Morgen sehr locker. Es schließt sich die graue Theorie, wie man so schön sagt, an. Hier ist sie aber gar nicht grau, sondern strahlt in bunten Power-Point-Farben vom LED-Bildschirm, der knapp unter der Decke hängt. Wir hören Impulsreferate über Themen wie „Transformation“, „Gerechtigkeit“, „Narrative“ und „Prozesse“. Sicher, für alle die, die sich nicht mit gemeinwohlorientierter Stadtentwicklung beschäftigen, nur minder spannend, aber ich bin gerade absolut gefesselt. Zumal hier ein Referent charismatischer als der andere erscheint. Die wissen echt, wie man Energie und Inhalt transportiert. Ich will das auch können!

 

Jetzt ist es Zeit für unseren Auftritt vor versammelter Mannschaft. Ich bin wieder…na?...richtig!…nervös und schwitze. Susann und ich sprechen über die schönsten, wichtigsten und frustrierenden Momente während unserer bisherigen Projektarbeit und beantworten Fragen. Wir bekommen Applaus, er fühlt sich herzlich an, echt ein tolles Gefühl!

 

Nach einer Mittagspause arbeiten wir in kleinen Gruppen an der Ausdefinition von verschiedenen Begriffen, wie „Aufklärung“, „Gemeinnützigkeit“, „Gründungslabor“, „Governance“…insgesamt sind es über achtzig, die da an den Wänden des Kraftwerks hängen. Einer hat es mir besonders angetan: „Do-ocracy“ von Democracy (Herrschaft des Volkes) abgeleitet. Er beschreibt die Tatsache, dass die Macht der Entscheidung denjenigen gehört, die handeln. Und, dass sich eine Entscheidungsfindung darüber legitimiert. Eine gute Vorstellung, dass, wenn man mit anpackt, man auch über die Tatsache entscheiden darf, wie etwas passiert. #machen #empowerment

 

Alle Begriffe werden später in einem Glossar zur gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zusammengefasst und veröffentlicht.

 

Wir machen uns am Nachmittag auf den Rückweg nach Altenburg. Mit ganz vielen Impulsen und neuen Ideen, aber auch Fragen und Dingen, für die wir noch keine Antwort haben, im Gepäck. Das Gepäck fühlt sich wie ein wahrer Energietank an. Kommunikation auf Augenhöhe mit dem BMI, welches hier in Vertretung von Almuth Draeger und einiger anderer Akteure zugegen war. Wir können uns und unser Projekt nun neu befüllen und freuen uns heute einfach nur ein Teil dieser ganzen Sache zu sein!

 

Noch ein wenig Anekdotisches gefällig? Leider sind wir nicht unversehrt aus Dresden zurückgekehrt. Einer unserer Mitreisenden hatte sich am zweiten Tag beim Aufstehen vom Frühstückstisch (!) am Rücken verletzt. Er meinte zwar, wir sollten ihn im Hostel zurücklassen, aber bei uns wird NIEMAND zurückgelassen! Mein innerer Monk hatte zwar die Befürchtung, auch an diesem Tag wieder zu spät zu kommen. Aber der Zusammenhalt der Gruppe erschien hier wichtiger als die Einhaltung einer in unserer Gesellschaft als Tugend gefeierten Sache namens Pünktlichkeit…Chris…äääh…Mitreisender, wir hätten dich nicht zurückgelassen! Gute Besserung!

 

Anja